Rücktritt vom Kaufvertrag bei krassem Missverhältnis
Beim Kauf einer Liegenschaft (Eigentumswohnung, Einfamilienhaus, Zinshaus, etc) kann es vorkommen, dass der Kaufpreis in einem auffälligen Missverhältnis zum tatsächlichen Wert der Immobilie steht. In solchen Fällen sieht das österreichische Zivilrecht mit der laesio enormis einen Rücktrittsgrund vom Vertrag vor. Diese Regelung schützt insbesondere jene Vertragsparteien, die einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil erleiden würden – häufig ohne es zu wissen.
Was bedeutet laesio enormis?
Die laesio enormis (wörtlich: „grobe Verletzung“) ist ein gesetzliches Rücktrittsrecht nach § 934 ABGB. Danach kann eine Partei von einem entgeltlichen Vertrag zurücktreten, wenn sie weniger als die Hälfte des wahren Wertes der Leistung erhalten hat.
Im Zusammenhang mit dem Liegenschaftskauf bedeutet das konkret:
- Wurde eine Immobilie zu einem Kaufpreis verkauft, der weniger als 50 % des tatsächlichen Verkehrswertes beträgt, kann der Verkäufer grundsätzlich vom Vertrag zurücktreten – sofern keine vertragliche Ausschlussklausel vereinbart wurde.
- Umgekehrt kann auch der Käufer betroffen sein, etwa wenn er eine stark überteuerte Immobilie erworben hat.
Gesetzliche Grundlage: § 934 ABGB
„Wenn bei einem entgeltlichen Vertrage die von einer Partei versprochene oder geleistete Sache nicht einmal die Hälfte des Wertes der Gegenleistung ausmacht, so kann sie die Aufhebung des Vertrages verlangen (…).“
Voraussetzungen für die Anwendung der laesio enormis:
- Es handelt sich um einen entgeltlichen Vertrag (z. B. Kaufvertrag über eine Liegenschaft).
- Das Leistungsverhältnis ist auffällig unausgewogen – konkret: Leistung ist weniger als die Hälfte der Gegenleistung wert.
- Es liegt kein bewusster Verzicht auf die Geltendmachung der laesio enormis vor (z. B. durch entsprechende Klausel im Vertrag).
Besondere Bedeutung beim Immobilienkauf
Gerade beim Liegenschaftskauf ist die laesio enormis von praktischer Relevanz. Immobilienpreise unterliegen Schwankungen und die Bewertung kann komplex sein – z. B. durch Lage, Zustand, Widmung, Baupotenzial oder Marktumfeld.
Einige typische Fälle:
- Ein älterer Grundstückseigentümer verkauft sein Haus weit unter Marktwert, ohne den tatsächlichen Wert zu kennen.
- Ein Käufer zahlt überhöhte Preise aufgrund falscher oder unvollständiger Informationen über die Immobilie.
- Nachträgliche Gutachten ergeben ein massives Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Verkehrswert.
In solchen Fällen kann die laesio enormis ein wirksames Instrument sein, um Verträge rückabzuwickeln oder eine Anpassung des Kaufpreises zu erreichen.
Verzicht auf die laesio enormis – zulässig, aber nicht immer wirksam
In vielen Immobilienkaufverträgen findet sich eine Klausel wie:
„Die Vertragsparteien verzichten ausdrücklich auf die Geltendmachung der laesio enormis gem. § 934 ABGB.“
Solche Verzichtsklauseln sind grundsätzlich zulässig, können aber im Einzelfall unwirksam sein – etwa wenn sie nicht ausreichend individualisiert oder überraschend sind oder der betroffenen Partei der tatsächliche Wert nicht bekannt war.
Als Rechtsanwalt für Liegenschaftsrecht in Wien (1090) prüfe ich gerne für Sie, ob ein wirksamer Verzicht vorliegt oder ob Sie sich dennoch auf die laesio enormis berufen können.
Laesio enormis – was tun bei Verdacht auf Missverhältnis?
Wenn Sie den Verdacht haben, dass ein Kaufpreis im Zusammenhang mit einer Immobilientransaktion in einem auffälligen Missverhältnis zum tatsächlichen Wert steht, sollten Sie rasch handeln:
- Lassen Sie den Verkehrswert der Liegenschaft gutachterlich feststellen
- Vermeiden Sie voreilige Grundbuchseintragungen
- Sichern Sie Beweise und prüfen Sie Vertragsklauseln genau
- Lassen Sie sich anwaltlich beraten
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Die Geltendmachung der laesio enormis kann komplex und rechtlich herausfordernd sein. Als Rechtsanwalt in Wien (1090) mit Spezialisierung auf Immobilienrecht unterstütze ich Sie professionell bei:
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